Ashtanga - dieser Begriff stammt aus dem Sanskrit und bedeutet "acht Glieder". Ashta steht für acht, Anga für Glieder oder Aspekte. Gemeint sind die acht Stufen des Yoga-Pfades, wie ihn Patanjali im Yoga-Sutra beschrieben hat - ein Pfad, der Körper, Geist und Bewusstsein gleichermaßen schult. Im
Ashtanga Yoga geht es darum, alle acht dieser Stufen miteinander zu verweben - in einer lebendigen, klar strukturierten Praxis.
Ursprünglich dem Hatha-Yoga zugeordnet, zählt Ashtanga zu dessen kraftvollsten Ausprägungen. Die Wurzeln reichen zurück zu Sri T. Krishnamacharya, einem der bedeutendsten Yogalehrer des 20. Jahrhunderts, dessen Wissen sowohl überliefertes Erfahrungswissen als auch philosophische Tiefe vereinte.
Einer Legende nach basiert die Lehre auf einem Manuskript namens Yoga Korunta, das von einem Rishi namens Camana auf Palmblättern verfasst wurde. Eine Kopie dieses Werkes soll Krishnamacharya einst in Kalkutta entdeckt haben. Im Jahr 1927 begann er, die darin enthaltene Praxis zu unterrichten - ein Wissen, das er auch an seinen Schüler Krishna Pattabhi Jois weitergab. Jois gründete später in Mysore das Ashtanga Yoga Research Institute - ein Ort, von dem aus die Methode in die Welt hinausgetragen wurde.
Eine feste Struktur mit Raum für innere Freiheit
Im Zentrum des
Ashtanga Yoga steht eine genau festgelegte Abfolge von
Asanas, unterteilt in sechs Serien. Jede Bewegung ist mit dem Atem synchronisiert, der Körper fließt durch die Positionen, fast wie in einem Tanz. Die Reihenfolge bleibt gleich - Tag für Tag. Diese Wiederholung ist kein starres Korsett, sondern wird zur meditativen Kraftquelle.
Der Fokus liegt nicht auf Höchstleistungen oder Flexibilität, sondern auf der Verbindung zwischen Atem, Bewegung und innerer Präsenz. Die bewusste Ujjayi-Atmung bildet das akustische Rückgrat der Praxis - ein gleichmäßiges, beruhigendes Rauschen, das wie ein innerer Anker wirkt.
Die erste Serie, Roga Chikitsa, wurde so konzipiert, dass sie den Körper reinigt und stärkt - auch dann, wenn Einschränkungen bestehen. Jede Haltung lässt sich anpassen. Es gibt kein "zu alt", kein "zu unbeweglich" - nur den eigenen Weg, das eigene Tempo.
Weitere Asanas folgen erst, wenn der Körper Stabilität gefunden hat und die zuvor geübten Haltungen integriert sind. Manche Praktizierende bleiben viele Jahre bei der ersten Serie. Denn es geht nicht um das "Höher", sondern um das "Tiefer".
Die Praxis in ihrer ursprünglichen Form - Mysore-Stil
Traditionell wird Ashtanga im sogenannten Mysore-Stil praktiziert. Dabei folgt jeder Schüler seinem eigenen Rhythmus und lernt die Serie Schritt für Schritt auswendig. Der Lehrer begleitet still, korrigiert sanft, gibt Hilfe dort, wo sie gebraucht wird.
Zu Beginn steht das bewusste Atmen - gefolgt von der Aktivierung der Bandhas, feinen Muskelverschlüssen, die Energie im Körper lenken. Danach folgen Sonnengrüße, stehende und sitzende Haltungen, eine Abschlusssequenz und schließlich die liegende Entspannung - ein Ausklang, in dem der Körper das Geübte integriert.
Die tägliche Übungsdauer wächst mit der Zeit. Anfangs sind es vielleicht 30 Minuten. Wer regelmäßig übt, wird feststellen, dass sich die Praxis ausdehnt - nicht nur auf der Matte, sondern auch ins tägliche Leben. Ideal ist die morgendliche Praxis an sechs Tagen pro Woche. Je weniger man übt, desto herausfordernder wird es, wieder hinein zu finden.
Ein Weg, der weit über die Matte hinausführt
Ashtanga ist mehr als eine körperliche Disziplin. Es ist ein Werkzeug zur Transformation. Die
Asanas kräftigen den Körper, verbessern Haltung, Balance und Energiefluss. Gleichzeitig beruhigen sie das Nervensystem, fördern die Konzentration und helfen, innere Klarheit zu entwickeln. Was sich auf der Matte entfaltet, wirkt weit über sie hinaus.
Wer bereit ist, sich mit Geduld, Hingabe und Neugier auf diesen Weg einzulassen, wird nicht nur mehr Beweglichkeit finden - sondern auch innere Stärke, Gelassenheit und ein wachsendes Bewusstsein für das, was wirklich zählt.
Ashtanga ist eine Einladung, immer wieder neu zu beginnen. Im eigenen Tempo, im Einklang mit dem Atem - und ganz bei sich selbst. Ein guter Einstieg gelingt über ein Mysore-Studio oder durch einen Workshop mit erfahrener Begleitung. Wichtig ist: Nicht eilen, nicht vergleichen. Nur atmen - und üben.
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